Lieber Andreas, lieber Max, starten wir einmal ganz am Anfang. Wann und wie ist eure Liebe zum Wein als kleines Flämmchen entfacht und wann war euch klar, dass euch das Thema den Rest eures Lebens nicht mehr loslassen wird?
AW: Da ist schon ein starker Bad Gleichenberg-Bezug damit verbunden. Einerseits hat mir mein älterer Bruder Harald, der ebenfalls in den TSBG die Schulbank drückte, Weine aus verschiedensten Ländern vorgestellt. Das muss im Hochteenagealter von ca. 17 Jahren gewesen sein. Mit dabei auch mein erstes Weinbuch, das ich begonnen hatte, näher zu studieren: „Weinkurs“ von einer gewissen Jancis Robinson MW OBE. Ihren Ausbildungsweg wollte ich näher kennenlernen und hatte somit den ersten Berührungspunkt mit der Ausbildung zum „Master of Wine“.
1995 begann ich mit dem Kolleg für Tourismus und Freizeitwirtschaft, wo ich einen meiner heute besten Freunde kennenlernte, der auch die Passion für feinen Wein zu 100% lebt. Mit ihm habe ich bislang die für mich mitunter besten Tropfen der Weinwelt auf die Zunge bekommen.
MG:
Tatort Venedig-Süd, circa gegen Mitternacht, in einer heimlichen Session zur Vorbereitung auf die Jungsommelier Ausbildung unter Herrn Ebner, Sokoll und Rosegger. Die Rivalität im Zuge unzähliger Blindverkostungen schürten die Glut und das Feuer der Passion kam ganz schnell von allein.
Die Liebe zum Wein verbindet Menschen quer durch alle Berufsfelder, sozialen Schichten und Kulturen? Was glaubt ihr ist der Grund dafür, weshalb ist dieses Getränk und die Leidenschaft der Menschen für Wein so groß?
AW: Wein ist absolut ein Kulturgut, hat einen enormen historischen wie auch religiösen Stellenwert in vielen Plätzen weltweit; es ist mehr als nur ein alkoholisches Getränk. Das Motto des Institute of Masters of Wine lautet: „Vinum exhilarat animum“ – Wein erheitert die Seele, das Herz. Es ist wahrlich so, in Maßen genossen natürlich.
Die aktuellen Krisenherde auf unserem Planeten sind omnipräsent. Unser ukrainischer Importeur versteht sich gut mit unserem russischen Importeur, tauschen sich aus, sprechen miteinander über die Welt des Weines und mehr – nie würden sie eine Auseinandersetzung suchen. Wein kann vereinen.
Wein spiegelt oft seine Herkunft wider – Regionen/Gebiete/Rieden werden in einem visuell abgebildet, wenn man wirklich großen Wein genießt, der klar die Handschrift des Geburtsortes zeigt. Das ist das Faszinierende an diesem Getränk, das so viele verschiedene Kulturen auf der Welt begeistert und auch verbindet.
MG: Die Gründe sind sicher je Individuum spezifisch. Auf der einen Seite präsentiert sich Wein als Jahrhundert altes Kulturgut, welches eng mit der Herkunft verbunden ist. Damit verflochten sind die Bereiche Geologie, Geschichte, Agrarpolitik, Klima und dessen Wandel sowie auch Traditionen und Brauchtum. Wenn man über Wein lernt, bereichert es auch das Allgemeinwissen, welches dienlich in sozialen Interaktionen sein kann. Auf der anderen Seite verleiht Wein wie jedes anderes alkoholisches Getränk den geistigen Zustand der Berauschung und ist vielleicht vielen nur das Mittel zum Zweck. Ich denke, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Die Tourismusschulen Bad Gleichenberg leben Weinliebe auf vielen Arten und Weisen, die Steirische Weintrophy, die jedes Jahr an der Schule organisiert wird, der schuleigene Weinkeller, die Jungsommelierausbildung und die Kooperation mit der Obst- und Weinbauschule Silberberg sind dabei die Grundpfeiler.
Wie könnte man in der Ausbildung den Weinschwerpunkt eurer Meinung nach noch vertiefen, wie ihn noch mehr zum USP machen?
AW: Ausbilden, Lehren ist besonders für Weine, die international weniger bekannt sind, sehr wichtig. Das gilt in gewisser Weise nach wie vor auch für den österreichischen Wein. Nebst dem Anlernen der Verkostungstechnik und einem Schwerpunktbereich der verschiedenen Weinbaugebiete wäre vielleicht auch ein betriebswirtschaftlicher Aspekt interessant bei der Ausbildung. Was kostet es, wenn ich selbst einen Wein keltern möchte? Welche Parameter gilt es abzustecken? Welchen Stil von Wein hat in Zukunft Marktpotential und wo kann ich diesen verkaufen? Antworten auf solche Fragen sind dann auch relevant, wenn man im Weinbusiness Fuß fassen möchte.
MG: Die Gastronomie befindet sich momentan im Umschwung und ist dabei sich neu zu erfinden. Wein und dessen professioneller Service wird dabei aber immer ein Cornerstone bleiben und deswegen sollte man weinspezifische Ausbildungen hohe Bedeutung beimessen. Die Ausbildung zum Jungsommelier könnte man in Kooperation mit dem Wirtschaftsförderungsinstitut Steiermark mit den Lehrgängen Sommelier Österreich und Diplom-Sommelier ergänzen. Weiters sehe ich auch Potential in einer Vertiefung von Persönlichkeitsbildung und Verkaufsstrategien in Kundengespräche, quasi Softskills Optimierung. Denn als Sommelier befindet man sich im Equilibrium des Beraters und Verkäufers – in Anbetracht einer gesunden Rentabilität eines Weinkellers, welches für Restaurantbesitzer von zentraler Bedeutung sind.
Andreas, du bist einer von aktuell 3 österreichischen Master of Wine. Wenn alles gut geht, wird sich bald auch Max als vierter hinzukommen.
Wie ist es dazu gekommen, dass du dich für diese herausfordernde Ausbildung entschlossen hast und wie hast du diese Zeit in Erinnerung?
AW: Ich bin wirklich sehr happy für Max und was für eine Leistung: der Kerl schafft zwei der drei schwierigen Hürden auf einen Satz! Châpeau!
Der erste Anstoß war tatsächlich das Buch „Weinkurs“ von Jancis, die ich mittlerweile schon als gute Bekannte bezeichnen darf…und das ist für mich etwas Besonderes. Ich kenne kaum eine profundere, objektivere Person im Weinjournalismus als sie.
Ich dachte mir: „Falls ich wirklich mal die Chance hätte, dieses Studium zu beginnen, dann möchte ich es zumindest versuchen.“ Gesagt, getan: im Jahr 2008 startete ich durch und durfte im Herbst 2012 in der Vintner’s Hall in der City of London graduieren. Viele Stunden musste ich dafür opfern, es war eine höchst intensive Zeit, lernte dabei aber auch so viele großartige Menschen weltweit kennen. Ohne den Support meiner Frau und engsten Freunden wäre es womöglich nicht gegangen.
Max, du bist in den finalen Prüfungen zum Master of Wine. Wie kann man sich das Studium vorstellen, was sind die größten Herausforderungen und Hürden, und was sind deine wichtigsten persönlichen Erkenntnisse, die du dir mitnehmen wirst?
MG: Vieles ist im Selbststudium autodidaktisch sich selbst beizubringen. Dies erfordert Disziplin, Selbstbeherrschung, Konsequenz und starker intrinsischer Motivation, welche für so manche eine Hürde darstellen vermag. Diesen Weg geht man jedoch nicht allein, denn das internationale Studium bietet einem die Möglichkeit sich mit Studierenden aus einer Vielzahl an Nationen zu vernetzen und Freundschaften zu schließen. Rückblickend waren die schönsten Momente, wie Menschen unterschiedlichster Ethnien, geeint durch die gleiche Passion, gemeinsam an einem Strang gezogen haben um das ultimative Ziel „Master of Wine“ zu erreichen. Es waren besondere Momente voller Poesie, Philosophie und viel gutem Wein.
Was würdet ihr TSBG Schülerinnen und Schülern raten, die mit einem ähnlichen Karriereweg wie ihr liebäugeln und sich am Master of Wine versuchen wollen?
Was muss man mitbringen, was wären wichtige Do’s and Dont’s?
AW: Follow your passion and realize your dreams! Wie unser Englisch-Professor Parmetler zu sagen pflegte: „The world is your oyster.“
Einen Plan haben, Kompromisse/Verzichte eingehen, zielstrebig am Projekt arbeiten und sich auch im Endeffekt sagen: letztendlich ist es „nur“ eine Prüfung. Einige meiner Kolleg:innen scheiterten am Druck, den sie sich selbst auferlegt haben.
MG:
Aufoperungsbereitschaft! Das Studium verlangt sehr viel von einem und schränkt in der finalen Prüfungsphase das Privatleben sehr ein. Beim tatsächlichen Exam muss man dann 4 Tage hintereinander die Nerven behalten und präzise unter Zeitdruck verkosten. Der englischen Sprache mächtig zu sein ist auch vom großen Vorteil, vor allem bedingt durch das völlig andere Aufsatz-Format, welches man bei Prüfungen benutzen muss. Weiters empfehle ich auch ohne Vorurteile in das Studium zu gehen. Ein Supermarkt-Wein hat seine gleiche Berechtigung am Markt wie ein First Growth aus dem Bordeaux. Das richtige (V)erkosten von Qualität ist ein zentraler Baustein bei der praktischen Prüfung
Letzte Frage: Welchen Wein trink ihr momentan am liebsten?
AW: Der Keller ist nebst heimischen Tropfen stark Burgunder- und Champagnerlastig. Letzteres kann man immer genießen, wie Lili Bollinger stets betonte. Derzeit schätze ich jedoch „Inselweine“ sehr – von Etna Bianco oder Rosso aus Sizilien über korsischen Niellucio bis zu Listan Blanco aus Teneriffa – da sind ganz spannende Sachen dabei!
MG: Das Portfolio meines Weinkellers befindet sich immer im Wandel. Es gibt nur ganz wenige Klassiker, welche einen fixen Platz haben, darunter sicherlich eine schöne Flasche Riesling Ried Heiligenstein vom Weingut Bründlmayer.
Und Uhudler.