Rubrik In die Zukunft schauen mit…. Roman Schmidt, Angst frisst Zukunft
Lieber Herr Schmidt, ihr Buch, Angst frisst Zukunft liefert Denkanstöße und Inspiration dafür, wie man eine starke, neue Landwirtschaft aufbauen könnte. Sie sprechen über die großen Probleme unserer Zeit – den Klimawandel, die soziale Ungleichheit, die Konsumsucht und über die Corona Krise, mit der wir aktuell zu kämpfen haben, aber Sie bleiben sehr optimistisch und positiv. Ganz ehrlich, machen sie sich gar keine Sorgen über Ihre und die Zukunft Ihrer Kinder?
Ich habe eine 12jähige Tochter. Ja, ich mache mir schon Sorgen. Aber mehr als die Sorge überwiegt der Optimismus. Die Menschheit hat so viele Probleme gelöst und ist im Stande, auch die Herausforderungen der Zukunft zu lösen. Ein Beispiel: Als ich im Alter meiner Tochter war, wurde uns in der Schule gesagt, wenn wir erwachsen würden, hätten die Bäume wegen des „sauren Regens“ keine Blätter mehr auf den Ästen. Heute spricht kein Mensch mehr vom sauren Regen und die Bäume werden sich im kommenden Frühling wieder ihr frischestes Kleid anziehen. Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie schaffbar sind und dass es mehr Lösungen als Probleme gibt.
Zum Thema Klimaschutz – der Tourismus ist ein enger Partner der Landwirtschaft – die Produkte, aber auch die Bewahrung der Kulturlandschaft.
Wie und mit welchen Maßnahmen könnte der Tourismus mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten, um dadurch Synergien zu erzeugen, von der die Region, der Klimaschutz und die Menschen profitieren?
Eine zukunftsfähige Landwirtschaft ist mit dem Tourismus eng verwoben. Schließlich ist sie nicht nur landschaftsprägend, sondern ihre Protagonisten sind auch ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal für Regionen. Spezialitäten und authentische landwirtschaftliche Produktionen sind in den Regionen von enormem Wert. Und die Landwirtschaft der Zukunft ist eine, die regionale Zukunftsfähigkeit in vielerlei Hinsicht fördert, etwa im Humusaufbau, im Bereich Tierwohl, das wir uns mittlerweile leisten können. Dazu muss man wissen, dass im Zeitalter des Anthropozäns das größte Artensterben der größten Wirbeltiermasse in Ställen gegenübersteht. Da läuft etwas falsch. Die Landwirtschaft steht mit dem coronabedingt nationaler werdenden Tourismus einer großen Chance gegenüber, nämlich der Chance, mit innovativen neuen „Weltretter-Produkten“ neue Kundensegmente zu erobern.
In ihrem Buch sagen Sie, dass man es sich leicht macht, in dem man die Schuld immer zuerst bei den anderen sucht, sich durch die Schuldsuche von der Lösungsfindung ablenkt.
Wenn wir das nun auf den Diskurs rund um die die Friday for Future Bewegung bzw. der Klimaschutzbewegung der jungen Generation ummünzen würde, der teilweise medial zu einem Generationskonflikt hochgeschaukelt wurde. Wie sollte Ihrer Meinung nach dieser Diskurs geführt werden? Funktioniert auch dieser ohne Schuldzuweisung, wenn ja, wie?
Ich glaube, dass sich die Friday-for-Future-Generation gefallen lassen muss, dass sie Teil des Problems ist, aber damit auch Teil der Lösung. Und ich finde es gut, dass die jungen Menschen durch diese Bewegung für ihre eigene Zukunft sensibilisiert werden. Schließlich ist es ihre Zukunft mehr als jene der Erwachsenen. Zudem werden sie zu Entwicklungshelfern für ihre Eltern, die ja eigentlich einfach unbekümmert den erlangten Wohlstand genießen wollen, ohne ständig mit der Nase auf das dahinterliegende Problem hingeführt zu werden. Es ist leicht, den anderen die Schuld zu geben. Aber die Welt würde schon eine gehörige Portion zukunftsfähiger, wenn wir beginnen würden, unser eigenes Handeln entsprechend zukunftsfit zu machen. Aber das heißt aus meiner Sicht nicht, dass man nicht darüber weiter und leidenschaftlich sprechen sollte. Wir sehen ja gerade, wie der mediale Krieg der Aufmerksamkeit funktioniert. Niemand spricht über die großen Probleme unserer Erde, weil Corona die mediale Aufmerksamkeit fest im Griff hat.
Welche Inhalte würden Sie sich zum Thema Klimaschutz in unseren Schulen wünschen? Wie sollte man diese Inhalte lehren?
Ich bin ein großer Freund von einfachen Lösungen. Auch wenn manche Probleme nicht einfach lösbar sind, so können wir doch in unserem eigenen Tun mit der bewussten Veränderung von Gewohnheiten Enormes bewirken. Wenn ich die Landwirtschaft wiederum mit der Schule verschränke, so sehe ich im Küchenmanagement, in Prüfungsessen und öffentlichen Veranstaltungen enormes Potenzial, einen Beitrag zu einer Bewusstseinsveränderung zu leisten. Es ist nicht egal, was am Teller ist, es ist nicht egal was im Glas ist, es ist verantwortungslos, in der Entscheidung der Speisen- und Getränkefolge keine Fragen, oder die falschen Fragen (z.B. „Was ist der Preis? Geht´s billiger?) zu stellen. Vielmehr sollte pro Gang der ökologische Fußabdruck im Vordergrund stehen. Da würden die Gäste ordentlich staunen.
Ähnlich wie das Bauernsterben, verzeichnet der Tourismus das Wirte-Sterben. Welchen Rat würden Sie einem Dorfwirt geben, damit er einer sicheren Zukunft entgegensteuern kann? Welches wären Ihrer Meinung nach die 3 wichtigsten Maßnahmen?
Auch in der Gastronomie frisst Angst die Zukunft. Und vor lauter Panik richtet sich der Fokus nur noch auf die Kosten, nur mehr auf den Preis. Doch wie soll Wert entstehen, wenn die ganze Aufmerksamkeit auf dem letzten Preis liegt?
Meine drei wichtigsten Punkte für die Gastronomie:
- Je näher desto besser! Das gilt für Lieferanten, Gäste etc.
- Entscheidung für Qualität und darüber unermüdlich sprechen.
- Lebensqualität vor Ausbeutung (Wie das geht? Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Wenn es mir ein Anliegen ist, wird sich in diesem Bereich vieles zum Guten entwickeln).
Sie sehen Corona als Chance für die Landwirtschaft. Glauben Sie, dass dies auch auf den Tourismus umgemünzt werden kann, der ja zu den am stärksten betroffenen Branchen zählt. Wo würden Sie diese Chancen für den Tourismus sehen?
Die Nähe gewinnt an Bedeutung. Die Herausforderung wird sein, diese Nähe auch zum wertvollen Verkaufsargument zu entwickeln. Die Lockdowns machen dem Tourismus zu schaffen, wie auch vielen anderen Branchen. Aber der Sommer hat gezeigt, dass qualitätsvoller Tourismus mehr denn je möglich ist und die Gäste das auch honorieren. Ich bin davon überzeugt, dass der Österreichtourismus eine große Chance hat. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass für Systeme, die sich nur mehr mit Effizienzgewinnen beschäftigen, die effektiv nichts mehr zu Wege bringen, die Corona-Krise ein Brandbeschleuniger ist.
Ihrer Ansicht nach werden wir grundsätzlich immer von zwei Zuständen beherrscht, entweder von Liebe oder von Angst und das Angst einfach ein Ergebnis von Informationsdefizit ist. Welche Tipps haben Sie diesbezüglich für unsere SchülerInnen und Studierende, die bald auch einen krisengebeutelten Arbeitsmarkt drängen? Wie sollen sie es anstellen, nicht von Ängsten beherrscht zu werden?
Dazu eine Geschichte:
Ein alter Indianer sitzt mit seinem Enkel am Lagerfeuer und spricht: „Mein Kind, in jedem von uns tobt ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist der Wolf des Neids, der Eifersucht, der Gier, der Arroganz, des Selbstmitleids, der Lügen, der Überheblichkeit, des Egoismus und der Missgunst.
Der andere Wolf ist der Wolf der Liebe, der Freude, des Friedens, der Hoffnung und Gelassenheit, der Güte, des Mitgefühls, der Großzügigkeit und Dankbarkeit, des Vertrauen und der Wahrheit.”
„Diese beiden Wölfe kämpfen in uns, jeden Tag!“ so der Indianer.
Der Enkel fragt: „Und welcher der beiden Wölfe gewinnt?“
Der alte Indianer schweigt eine Weile und sagt schließlich: „Der, den du jeden Tag fütterst.“
Ich würde Sie einladen, jeden Tag die Zuversicht, die Potenziale und Chancen einer sich verändernden Welt zu füttern. Dann wird alles gut.
Sie sagen, die Zukunft liegt in unserer Hand und sprechen in Ihrem Buch von einem Visionsanker, den man braucht. Welchen Visionsanker würden Sie unseren Tourismusschülern mitgeben?
Wie das Bild der Zukunft aussieht, liegt in der Hand jeder einzelnen Schülerin und jedes Schülers. Meine Bitte wäre vielmehr die, dass niemand in ihrer Schule es versäumen sollte, in der Schulzeit ein Bild der eigenen Zukunft zu skizieren und schließlich in den schönsten Farben auszumalen. Wir unterschätzen die Kraft der inneren Bilder, die Potenziale entfalten und das morphogenetische Feld anregen. Da draußen warten die Möglichkeiten. Sie müssen wissen, unser Potenzial ist mit einem Radio vergleichbar: Wenn wir unsere Frequenz entsprechend einstellen, werden wir Empfänger für jene Botschaften, die uns im Leben weiterbringen.