Interviewserie „Starke Frauen im Tourismus“ für das Absolventenmagazin der Tourismusschule Bad Gleichenberg
Landesrätin Mag.a. Barbara Eibinger Miedl im Gespräch mit Bettina Tobitsch
Sehr geehrte Frau LRin Eibinger Miedl, die Steiermark Tourismus GmbH wurde noch nie von einer Frau geleitet. Ist der Grund ein Mangel an Bewerberinnen oder ist es ein strukturelles Problem? Woran liegt das ihrer Meinung nach?
Eibinger-Miedl: Ausschreibungen wie diese werden nach dem Stellenbesetzungsgesetz des Bundes ausgeschrieben. Darüber hinaus besitzen wir die rechtliche Grundlage, dass bei gleicher Qualifikation die Frau vorgezogen wird. Leider hat sich bei der letzten Ausschreibung nur eine Frau beworben.
Strukturell sind wir aber gerade im Steiermark Tourismus sehr gut aufgestellt. Zwei Drittel der Mitarbeiterinnen sind weiblich und wir haben eine weibliche Prokuristin sowie eine weibliche Teamleiterin. Das heißt, in der zweiten und dritten Ebene sind die Frauen, jetzt fehlt nur mehr der Sprung in die erste Ebene.
Ich bin hierbei der Ansicht, dass Frauen sich leichter von Ausschreibungstexten abschrecken lassen. Sie bewerben sich im Zweifelsfall eher nicht. Männer nehmen das offenbar lockerer und trauen sich mehr zu. Hier müssen wir Frauen ermutigen, Herausforderung nicht zu scheuen. Ich hoffe, dass in Zukunft sich die Mädchen und Frauen mutiger und mit mehr Selbstsicherheit ins Rennen werfen.
Was kann die Politik tun, um es jungen Frauen leichter zu machen Führungspositionen wie beispielsweise die Geschäftsführung der Steiermark Tourismus GmbH zu erreichen und bedarf es ihrer Meinung nach einer Quotenregelung wie dem Gleichstellungsgesetz?
Eibinger-Miedl: Ich stelle sehr oft fest, dass Frauen gut qualifiziert sind, vielleicht manchmal sogar besser als Männer. Sie trauen sich aber, wie schon erwähnt, trotzdem weniger zu. Deshalb müssen wir viel mehr im Bereich Mutmachen und Bilden von Netzwerken tun. Beispielsweise machen wir im Wirtschaftsressort ein Gründerinnencoaching und eine Aufsichtsrätinnenschulung. Wir machen das nicht, weil Frauen noch eine Ausbildung brauchen, sondern um ihnen Wege aufzuzeigen, Mut zu machen und Netzwerke zu bilden.
In der Steiermark haben wir zudem eine selbstauferlegte Quotenregelung von einem Drittel bei Aufsichtsräten. Diese hat dazu geführt, dass Frauen die Chance in Führungspositionen gezielt gegeben wurde. Das ist natürlich nicht leicht für denjenigen, der Platz machen muss. Wenn wir aber nur einen einzigen Posten zur Geschäftsführung ausschreiben, bringt die Quote auch nichts.
Auch Anfang und Mitte 20, wo Kinder noch in weiter Zukunft sind, denken junge Frauen oft an den Plan B nach dem ersten Teil der Karriere, dem Leben nach dem Tourismus mit der Familie, da der Tourismus nach wie vor in Sachen familienfreundlichen Arbeitsmodellen hinterherhinkt. Was müsste passieren, damit die Abwanderungsquote zu anderen Branchen abnimmt und was kann die Politik tun?
Eibinger-Miedl: Ich bin selbst Mutter und daher kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass man davor nicht weiß, worauf man sich einlässt. Man kann sich auf die Zeit als Mutter nicht vorbereiten. Es ist etwas unglaublich Erfüllendes und ich möchte wirklich jedem Mut zum Kind machen, weil es das Leben bereichert.
Ich finde es daher sehr schade, wenn Frauen mit einer guten Ausbildung, wie in den Tourismusschulen, aus familiären Gründen den Job wechseln möchten. Meiner Ansicht nach sollte Beruf auch Berufung sein. Aus diesem Grund sollte man die eigene Berufung nicht aufgeben müssen.
Daher müssen wir seitens der Politik den Ausbau der Kinderbetreuung vorantreiben. In den letzten fünf bis zehn Jahren ist in der Steiermark bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bereits viel geschehen. Wir müssen dran bleiben, Betreuungsangebote weiter ausbauen und Unternehmen unterstützen, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. In meinem Ressort haben wir zum Beispiel Förderprogramme auf den Weg gebracht, um Kinderbetreuung in Unternehmen aufzubauen, in Form von Betriebskindergärten, Betriebstageseltern oder Sozialräumen. Ich merke auch, dass Unternehmen bei diesen Angeboten immer aufgeschlossener werden. Der Fachkräftemangel spielt hierbei sicher auch eine Rolle, der ja gerade auch im Tourismus stark zu spüren ist. Den Betrieben wird es wichtiger, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen, um sie so zu halten.
Leider ist es nach wie vor so, dass Frauen die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen. Ich hoffe auf eine neue Generation an heranwachsenden Männern, die sich stärker daran beteiligen. Hier sind allerdings auch die Unternehmen gefordert, den Männern die Väterkarenz beziehungsweise eine Stundenreduktion zu ermöglichen.
Unbezahlte Hausarbeit und Kindererziehung hängt nach wie vor zum Großteil an den Frauen aber auch an engagierten Vätern. Viele Frauen entscheiden sich deshalb für Teilzeitpositionen, sehr oft weil der Verdienstausfall bei Teilzeit-Vätern höher wäre auf Grund besserer Entlohnung. Teilzeitarbeit ist schlechter bezahlt, kaum in Führungsebenen und mit schlechten Aufstiegschancen. Dadurch kommt es dann zu 60-70 Wochen-Std. Gerade in stressintensiven Tourismusjobs ist das eine extreme Doppelbelastung. Wie kann hier gemeinsam mit Unternehmen Verbesserung geschaffen werden?
Eibinger-Miedl: Ich denke, das Problem verdichtet sich ab dem Moment, wo Kinder da sind. In vielen Fällen geht die Frau in Karenz und startet danach in Teilzeit. Dies ist jedoch mit einem Karriereknick verbunden, den die Frauen für den Rest ihres beruflichen Lebens nicht mehr ausgleichen können. Eine langfristige Teilzeitbeschäftigung wirkt sich auch auf die finanzielle Situation aus und bedeutet eine viel geringere Pension. Aus diesem Grund ist der weibliche Anteil bei Altersarmut wesentlich höher. Diese Fakten müssen wir den Mädchen aufzeigen.
Wir müssen aber auch bereits bestehende Anreizsysteme verstärken, um die Väterkarenz zu fördern. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Eltern die Stundenreduktion, die für die Kinderbetreuung notwendig ist, auf beide angemessen aufteilen. Das heißt, beide reduzieren auf beispielsweise 32 oder 30 Wochenstunden. Wenn die Kinder älter sind, können beide Elternteile wieder aufstocken. So wäre die Situation für Mütter und Väter ausgeglichen und gleichberechtigt.
Stichwort Equal Pay Gap: In der Steiermark verdienen Frauen aktuell im Schnitt 17,2% weniger als Männer, schlechter als der österreichische Durchschnitt. Das ergibt für das Jahr 2021 63 Tag gratis Arbeit im Vergleich zu den männlichen Kollegen. Zusätzlich haben viele Frauen das Gefühl fleißiger sein zu müssen, um sich zu bewähren.
Warum glauben sie ist das so? Wie können wir das ablegen und was muss die Politik, was die Unternehmen und was die Frauen tun, damit sich endlich etwas ändert?
Eibinger-Miedl: Mittlerweile schließt sich der Gender Pay Gap, aber das leider viel zu langsam. Man muss hier genau hinschauen, wodurch sich dieser Gap ergibt. Zum einem oft aufgrund der Berufswahl der jungen Frauen. Berufe wie Sekretärin, Friseurin und Verkäuferin zählen zu Branchen mit niedrigeren Gehältern. Wir müssen Mädchen bei der Berufsorientierung die Fülle von Möglichkeiten aufzeigen. Gleichzeitig darf man aber Frauen nicht in bestimmte Berufe drängen. Doch jene, die sich für einen vermeintlich „frauenuntypischen“ Beruf entscheiden, sollte man bewusst in ihrer Wahl bestärken.
Der Gender Pay Gap ist auf alle Fälle auch ein politisches Thema. Wir konzipieren Lösungsansätze, aber oft stoßen wir an realpolitische Grenzen. Es ist ein Bohren harter Bretter, aber es wird langsam besser.
Frau Landesrätin, sie sind in einer Top-Führungsposition, sind Mutter einer 4jährigen Tochter und haben ihre politische Karriere bei den Steirischen VP Frauen gestartet und mussten sicher sehr oft gegen Stereotype ankämpfen. Sehen sie sich eigentlich als Role Model?
Eibinger-Miedl: Ich denke, zum Role Model wird man automatisch. Ich selbst sehe mich vielmehr als Mutmacherin und als jemand, die vorausgeht. Ich habe immer versucht, Chancen zu ergreifen und Neues zu probieren. Als ich damals gefragt wurde, ob ich das Amt der Landtagsabgeordneten übernehmen würde, habe ich einfach zugesagt. Frauen müssen sich bewusst sein: Du wirst deshalb gefragt, weil jemand dir die Verantwortung zutraut. Deshalb sollte man nicht zögern und zaudern.
Welche weiblichen Vorbilder haben Sie in Ihrer Karriere geprägt und warum?
Eibinger-Miedl: Als damals Waltraud Klasnic die erste Landeshauptfrau Österreichs wurde, hat mir das großen Mut gemacht, mich auch zu engagieren. In der Bezirksvertretung gab es ebenfalls starke Frauen. Ich dachte mir, wenn diese Frauen in der Politik erfolgreich sein können, dann schaffe ich es auch.
Auch gibt es starke Frauen in meiner Familie. Stark geprägt haben mich meine Großmutter und meine Mutter. Sie haben mir sehr viel für mein Leben mitgegeben. Meine Großmutter hat sieben Kinder mit ihrem Mann großgezogen und daneben ein Unternehmen aufgebaut. Meine Mutter war immer berufstätig und hat mir beigebracht, finanziell unabhängig zu sein und meinen eigenen Weg zu gehen.
Welche Ungleichheit bzw. Ungerechtigkeit, die sich auch selbst vielleicht am eigenen Leib erlebt haben, stört sie selbst am meisten?
Eibinger-Miedl: Als ich Mama geworden bin, war das eine Zeit lang das Hauptthema. Nach ein paar Wochen Mutterschutz nahm ich schnell wieder meine politische Arbeit auf. Ich empfand es als ungeheuerlich, dass ich mich als Frau permanent rechtfertigen musste, wer die Kinderbetreuung zu Hause übernimmt. Darauf wurde ich oft in Interviews, bei Veranstaltungen oder auf der Straße angesprochen.
Mich stört auch, dass man als Frau viel mehr nach Äußerlichkeiten beurteilt wird. Ich wurde in meiner politischen Laufbahn ständig auf meine Kleidung angesprochen. Mit der Zeit lernt man zum Glück, mit solchen Situationen umzugehen und wird souveräner.
Abschließend, welchen Rat geben Sie unseren SchülerInnen und Studierenden, wie sie in Zukunft diese Strukturen aufbrechen können?
Eibinger-Miedl: Das wichtigste ist, dass sie sich selbst bewusst werden, was sie können und was sie wollen. Sie müssen ihren eigenen Weg gehen und nicht versuchen, Erwartungen anderer zu erfüllen. Die Schülerinnen und Schüler der Tourismusschulen Bad Gleichenberg sind top ausgebildet, und somit steht ihnen alles offen.
Frau Landesrätin, vielen Dank für das Interview!